Viel wird über das Essen geredet. Und über das Trinken. Über das Wetter sowieso. Aber über das Atmen, der wichtigsten körperlichen Funktion für ein menschliches Überleben, wird kaum ein Wort verloren, weil es als so selbstverständlich wahrgenommen wird. Ein Social-Media-Trend rückt das Atmen aktuell in den Vordergrund und macht deutlich, wie wenig die Menschen über die richtige Atmung wissen und wie stark sie das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit beeinflusst.
Polster, Decke, Schlafmaske und Klebeband – die Schlafutensilien sind seit einiger Zeit um ein Stück mehr geworden. Zumindest, wenn man aktuelle Social-Media-Postings liest: Unter #mouthtaping kursiert der Trend des Mouth-Tapings, das Zukleben des Mundes mit einem Klebeband während des Schlafes. Das Model Ashley Graham oder auch der Fußballer Erling Haarland zeigen in TikTok-Videos, dass sie diese bewusste Form des Atmens durch die Nase praktizieren, weil sie sich dadurch gesundheitliche Vorteile erhoffen.
Über das Atmen wird kaum ein Wort verloren, weil es als so selbstverständlich wahrgenommen wird.
Aber stimmt das? Bevor ich auf die einzelnen Aspekte des gesunden Atmens eingehe, kann ich eines gleich vorneweg schicken: Der Mensch atmet zu schnell, zu hart, zu viel und ohne natürlichen Rhythmus, wie es Atem-Experte Ralph Skuban auf den Punkt bringt. Viele Atemmuster haben sich in dysfunktionale umgekehrt, indem anstelle der Nase durch den Mund geatmet wird. Die entspannte Zwerchfellatmung wurde von der energieaufwändigen Brustatmung abgelöst. Kein ruhiger und langsamer Atemfluss, sondern das beschleunigte und nervöse Atmen bestimmt den Körper. Nicht sanft und stetig, sondern hart und unregelmäßig mit unnatürlichen Unterbrechungen findet die Atmung statt. In der Nacht tritt anstelle des stillen Schlafes lautes Schnarchen ein.
Dass das nicht angeboren, sondern antrainiert ist, führen uns Neugeborene vor Augen: Ein Baby atmet durch die Nase und über das Zwerchfell. Ganz anders, als es der gestresste Erwachsene tut.
BE INFORMED. Die richtige Atmung.
Eine gesunde und natürliche Atmung erfüllt nach Ralph Skuban fünf Prinzipien: nose, low, slow, let go, quiet. „Nose“ bezeichnet die Atmung des Menschen durch die Nase. „Low“ beschreibt, dass die Atmung nach unten ins Zwerchfell gehen und nicht über die Brust geschehen sollte. Dank „slow“ erfolgt die Atmung langsam und fließend, wobei die Ausatmung etwas länger als die Einatmung dauert. Nach der Ausatmung tritt eine natürliche Atempause ein. Der vierte wichtige Faktor für gesunde Atmung umfasst mit „let go“ das Loslassen: Die Ausatmung erfolgt passiv, indem ein Loslassen in die Ausatmung und ein Sich-öffnen für die Einatmung vollzogen wird. Gedanklich hilft dabei: Es geht ums Geschehen lassen und nicht um ein aktives Machen. Als letzten Punkt sollte mit „quiet“ die Atmung still und sanft erfolgen, damit das Atemvolumen nicht zu groß wird.
BE SMART. Nutze die Nase als Filter.
Diese fünf Prinzipien verdeutlichen, dass ein gesundes Leben bei der Nase beginnt. Die Atmung durch die Nase ist besser für den Körper als durch den Mund. Einerseits, weil die einströmende Luft bei der Atmung durch die Nase erwärmt wird und andererseits Keime und Bakterien aus der Atemluft gefiltert werden, bis sie bei ihrem Ziel – der Lunge – angekommen ist.
Diese Erwärmung, die Anfeuchtung der Luft und die Filterung sind auch beim Sport wichtig, da sie die sportliche Leistung verbessern. Während des Trainings erhöht die Nasenatmung die Energiegewinnung und ermöglicht eine ausreichende Belastungsintensität. Zudem ist die Nase ein Vorratstopf für Stickstoffmonoxid, ein wichtiges Gas zur Erhaltung der Gesundheit. Beim Sport sorgt der Transport von Stickstoffmonoxid für eine Erweiterung der Atemwege und Blutgefäße, womit die Sauerstoffversorgung im gesamten Körper verbessert wird. Zu guter Letzt sorgt die Nasenatmung auch für die Reduktion von Milchsäurebakterien, da die aktiven Muskeln mehr Sauerstoff erhalten.
BE OLD SCHOOL. Modetrend Mundatmung.
Ganz anders ist das bei der Atmung durch den Mund. Hast du schon einmal bemerkt, dass du mit trockenem Mund und Mundgeruch aufwachst? Oder großen Durst nach dem Aufstehen hast? Das ist die Folge der Atmung durch den Mund, da die Luft, die durch den Mund eingeatmet wird nicht befeuchtet wird. Das führt zu Flüssigkeitsverlust im Körper und steigert zudem die Übersäuerung des Mundes, was das Risiko für Karies und Zahnfleischerkrankungen erhöht.
Die Mundatmung signalisiert dem Körper stets eine Gefahr, eine Notsituation. Es werden die gleichen Kampf- oder Fluchtreaktionen ausgelöst wie bei unseren Vorfahren. Dein Körper steht so immer unter Stress.
Welchen Effekt die Mundatmung auf den Körper noch hat, zeigt ein Blick zurück in die Geschichte: Unsere Vorfahren haben nur dann durch den Mund geatmet, wenn sie sich in Gefahr befanden, da sie auf diese Weise größere Mengen an Luft aufnehmen und ihren Körper somit auf eine intensive körperliche Aktivität einstellen konnten. Das bedeutet, dass die Mundatmung dem Körper stets eine Gefahr, eine Notsituation signalisiert. Es werden die gleichen Kampf- oder Fluchtreaktionen ausgelöst wie bei unseren Vorfahren. Der Körper steht so immer unter Stress. Mit dem Unterschied, dass uns in der heutigen Zeit die körperliche Aktivität fehlt, durch die sich unser Körper wieder normalisieren kann.
Entgegen der weitläufigen Meinung, dass ein tiefer Atemzug, der die Brust und die Schultern anhebt, zu einer besseren Sauerstoffversorgung führt, reduziert diese Art der Atmung die Leistungsfähigkeit. Energiemangel, Konzentrationsschwäche und Stimmungsschwankungen sind die Folge. Das macht sich auch durch einen schmalen Kiefer, schiefe Zähne, eingefallene Wangenknochen und eine verkleinerte Nasenhöhle bemerkbar. Aus diesem Grund sollte die Atmung durch den Mund so genutzt werden, wie bei unseren Vorfahren: nur im Notfall.
BE FIT. Integriere Atem-Übungen in dein Training.
Mit dieser Schilderung zu den grundlegenden Aspekten des (richtigen) Atmens konnte ich dir hoffentlich einen Einblick verschaffen, wie vielschichtig und wichtig es ist, sich mit diesem Thema zu befassen – vor allem, wenn man fit und gesund leben möchte. Für mich persönlich war es auf jeden Fall der Grund, in meiner Ausbildung als sportwissenschaftliche Beraterin auch einen Schwerpunkt auf Atem-Coachings zu legen. Komm gerne auf mich zu, damit auch du von richtigen Atemmustern profitierst – du wirst überrascht sein, wie wertvoll die richtige Atmung beim Erreichen deiner Fitness-Ziele ist.